Umgang mit Unsicherheit - Effektives Management von Zinsrisiken
1. Einleitung
Grössere Infrastrukturprojekte, wie Neubauprojekte im Gesundheits- oder Energiesektor, stehen im Einflussbereich von unterschiedlichen Faktoren. Neben politischen Vorgaben, müssen auch technische und wirtschaftliche Anforderungen an den Bau und den Betrieb erfüllt werden. Darüber hinaus ist ein solches Bauprojekt, welches über mehrere Jahre geplant und umgesetzt wird, auch den makroökonomischen Entwicklungen, ausgesetzt. Dazu gehören insbesondere die Entwicklung der Inflation (Baukosten) sowie die Entwicklung der Zinsen (Finanzierungskosten), welche beide den Projekterfolg massgeblich beeinflussen können. Die gute Nachricht: Sowohl Inflations- als auch Zinsrisiken können aktiv gesteuert werden, um negative zukünftige Überraschungen zu vermeiden.
In diesem Artikel werden wir uns auf die Möglichkeiten zur Steuerung der Zinsrisiken fokussieren. Wir werden Ihnen zeigen, welche Arten von Zinsrisiken es typischerweise gibt, wie Sie herausfinden, welche Risiken Sie eingehen und mit welchen Instrumenten Sie diese Risiken effizient nach Ihrem Bedarf steuern können.
2. Zinsrisiken bei Neubauprojekten
Bei Bauprojekten mit bedeutenden Investitionsvolumen, ist das Management von Zinsrisiken von entscheidender Bedeutung. Zinsrisiken entstehen durch die Unsicherheit und die potenziellen finanziellen Verluste, die durch Änderungen in den Marktzinsen verursacht werden können. Im Kern geht es dabei um die Gefahr, dass sich die Marktzinsen zukünftig erhöhen werden und damit verbunden die Finanzierungskosten ansteigen, was direkte Auswirkungen auf die Rentabilität von Investitionen hat. Dabei kann ein Risiko natürlich auch immer eine Chance darstellen - in unserem Fall in Form von sinkenden Marktzinsen und damit einhergehend sinkenden Finanzierungskosten was zu einer höheren Rentabilität der getätigten Investition führt. Im Rahmen des Risikomanagements ist es daher entscheidend, Zinsrisiken und -Chancen zu identifizieren, zu bewerten und entsprechende Strategien zu ihrer Steuerung zu entwickeln.
Bei Neubauprojekten ist es wichtig zu verstehen, dass das Zinsänderungsrisiko nicht erst mit dem effektiven Bezug von Fremdkapital während der Bauphase entsteht, sondern bereits viel früher während der Planungsphase auftritt. Anders gesagt: Sofern Sie sich nicht bereits gegen steigende Marktzinsen abgesichert haben, tragen Sie zu jeder Zeit ein unmittelbares Zinsänderungsrisiko, da sich die Marktzinsen laufend verändern können. Diese Unterscheidung des Zinsänderungsrisikos in die Phasen "vor dem Kapitalbedarf" und "während des Kapitalbedarfs" ist wichtig, da sich die zur Risikosteuerung eingesetzten Absicherungsinstrumente je nach Phase unterscheiden (mehr dazu in Kapitel 5).
3. Aktuelles Zinsumfeld
Acht Jahre nach Einführung der Negativzinsen durch die SNB am 22. Januar 2015, wurden diese am 22. September 2022 wieder aufgehoben. Anschliessend gab es mehrere Zinsschritte, bis der CHF Leitzins ab 23. Juni 2023 beim vorläufigen Maximum von 1.75% zu liegen kam. Getrieben wurden diese Leitzinserhöhungen hauptsächlich von der hohen Inflation nach der Corona-Krise, insbesondere in den USA und im EU-Raum, zu einem geringeren Ausmass aber auch in der Schweiz. Nachdem die Inflationszahlen in der Schweiz ab Mitte 2023 wieder deutlich zurückgekommen sind, hat die SNB die Leitzinsen per März und Juni 2024 in zwei Zinsschritten wieder auf 1.25% gesenkt. Diese Leitzinsveränderungen haben dazu geführt, dass die Volatilität sowohl bei den kurz- wie auch den langfristigen Zinssätzen seit Anfang 2022 relativ hoch war. Diese zeigte sich in einer schnellen Erhöhung der Zinssätze im 2022, gefolgt von einer volatilen Seitwärtsbewegung bis im Herbst 2023. Anschliessend sind die Zinssätze aufgrund der antizipierten und dann tatsächlich erfolgten Leitzinssenkungen wieder deutlich zurückgekommen. Seit diesem Sommer liegen die langfristigen Zinssätze das erste Mal seit über zwei Jahren wieder deutlich unter 1% p.a. Die hohe Volatilität an den Zinsmärkten spiegelt auch eine generelle Unsicherheit der Marktteilnehmer über die zukünftigen makroökonomischen Entwicklungen wieder.
Grafik 1: Historische Entwicklung der Zinssätze
Speziell zu erwähnen ist, dass die mittel- und langfristigen Zinssätze seit Herbst 2023 unter dem kurzfristigen Saron-Satz liegen. Diese sogenannte Inversion der Zinskurve bedeutet, dass aktuell z.B. 5-jährige Festkredite rund 50 Basispunkte günstiger abgeschlossen werden können als kurzlaufende Kredite auf Saron-Basis, was sicherlich einer Ausnahme entspricht. Zurückzuführen ist dies auf die Erwartungen der Marktteilnehmer, welche von weiteren Leitzzinssenkungen der SNB ausgehen.
Die Markterwartung für die zukünftige Entwicklung der kurzfristigen Zinssätze lässt sich anhand der implizierten Forward-Kurve des 3-Monats-Sarons gemäss nachfolgender Grafik ableiten:
Grafik 2: Entwicklung Saron 3M Implied Forward
Bedeutet das nun, dass jetzt der ideale Zeitpunkt für den Abschluss eines Festkredites ist? Auf den ersten Blick scheint es durchaus attraktiv zu sein die Zinsen längerfristig zu günstigeren Zinssätzen anzubinden. Wenn jedoch die zukünftige Zinserwartung (gemäss Grafik 2) in die Überlegungen mit einbezogen wird, relativiert sich dieser Effekt wieder. Die langfristigen Zinssätze leiten sich nämlich direkt aus den zukünftig erwarteten kurzfristigen Zinssätzen ab. Anders formuliert: Wenn sich die zukünftigen kurzfristigen Zinssätze 1:1 gemäss der aktuellen Markterwartung entwickeln, macht es rechnerisch keinen Unterschied, ob Sie einen kurzfristigen (Saron-basierten) Kredit oder einen Festkredit abschliessen.
Eine pauschale Antwort gibt es somit nicht, vielmehr stellt sich die zentrale Frage: Beurteilen Sie die aktuelle Markterwartung als realistisch (es spielt keine Rolle, ob abgesichert wird oder nicht) oder sind die Prognosen zu optimistisch (würde für eine Absicherung sprechen) bzw. zu pessimistisch (würde für einen variablen Kredit sprechen)? Die Beantwortung dieser Frage bedingt jedoch eine eigene Zinsmeinung bzw. eine eigene Zinsprognose, welche der Marktprognose gegenüberstellt werden kann. In der Praxis ist dies jedoch selten der Fall. Es hat sich in der Vergangenheit auch gezeigt, dass Zinsprognosen von Analysten oder anderen Experten nur selten zutreffend sind (Abweichung nimmt mit zunehmendem Prognosehorizont zudem stark zu) und somit nicht als Entscheidungsgrundlage dienen sollten. Dies ist auch der Grund, weshalb Sie von uns keine Einschätzungen über die zukünftige Zinsentwicklung erhalten
werden - wir sind uns der Grenzen von akkuraten Prognosen in komplexen Wirtschaftssystemen bewusst.
Für die Erarbeitung einer sinnvollen Absicherungsstrategie sollte daher der Fokus weniger auf externe Faktoren (prognostizierte Zinsentwicklung) sondern auf interne Faktoren gelegt werden. Unter solchen internen Faktoren verstehen wir die Risikofähigkeit sowie die Risikotoleranz, welche wir im nächsten Abschnitt genauer beleuchten werden.
4. Risikofähigkeit und Risikotoleranz
Die unternehmensspezifischen Möglichkeiten Zinsrisiken eingehen zu können, werden durch die Risikofähigkeit bestimmt. Die Risikofähigkeit kann relativ einfach errechnet werden, in dem der langfristig maximal tragbare Zinssatz ermittelt wird. Dieser ergibt sich aus der Finanzplanung bzw. den zukünftig erwirtschaftbaren Free Cashflows unter Berücksichtigung der Neubauinvestitionen sowie des zukünftigen Kapitalbedarfs. Der so ermittelte maximale Zinssatz stellt die absolute Zinsobergrenze dar, welche auf keinen Fall überschritten werden darf, da dies sonst dramatische Auswirkungen auf die Liquidität und sogar den Fortbestand des Unternehmen haben kann. Das oberste Ziel ist somit zu verhindern, dass dieses Szenario eintreffen kann, indem entsprechende Absicherungsstrategien verfolgt werden.
Leider ist die Ermittlung des Maximalzinssatzes in der Praxis nicht ganz so einfach, da die Berechnungsbasis (Finanzplanung) selber eine Quelle von Unsicherheit darstellt. Was auf die Problematik von Vorhersagen bei der Zinsentwicklung zutrifft, gilt natürlich auch bei der Vorhersage der zukünftigen Free Cashflows. Jedes Unternehmen bewegt sich in einem komplexen und dynamischen Umfeld, welches eine exakte Planung verunmöglicht. Auch hier gilt: Je länger der Planungshorizont, desto ungenauer werden die Vorhersagen. Es ist daher zentral, dass man sich dieser Einschränkungen bewusst ist und sich nicht durch exakt berechnete Zahlen in einem Excel-File blenden lässt. Vielmehr sollte auch die Finanzplanung einer Szenarioanalyse unterzogen werden. Dadurch werden die relevanten Stellhebel sichtbar und entsprechende Sensitivitäten aufgezeigt. Im Umfeld von stark regulierten Betrieben sind die Unsicherheiten im Verhältnis zu anderen Branchen zwar relativ klein, doch auch hier spielen Effekte wie die Entwicklung der zukünftigen Tarife, die Bevölkerungsentwicklung oder die Kosteninflation (Betriebs- sowie Baukosten) eine wichtige Rolle, welche es zu berücksichtigen gilt. Es ist wohl selbstredend, dass im Zuge einer solchen Risikoanalyse nicht vom Optimalfall sondern eher von einem "bad case"-Szenarion ausgegangen werden sollte.
Neben der Risikofähigkeit spielt auch die individuelle Risikotoleranz eine wichtige Rolle bei der Erarbeitung einer passenden Absicherungsstrategie. Hierbei wird berücksichtigt, wie viel Risiken der Verwaltungsrat als oberstes Steuerungsorgan eingehen möchte. Es stellt sich also nicht die Frage "wie viel Risiko kann ich eingehen?", sondern die Frage "wie viel Risiko möchte ich eingehen?". Eine pauschale Antwort auf diese Frage gibt es nicht, da dies sehr individuell ist und nicht auf quantitativen Faktoren (wie bei der Risikofähigkeit) sondern auf qualitativen Faktoren beruht. Die Risikotoleranz sollte jedoch die Risikofähigkeit nie übersteuern. So sollte beispielsweise eine Unternehmung mit tiefer Risikofähigkeit aber hoher Risikotoleranz trotzdem nur sehr beschränkt Zinsrisiken eingehen, um den langfristigen Fortbestand in einem ungünstigen Szenario nicht zu gefährden. Anders verhält es sich, wenn die Risikofähigkeit hoch ist. In diesem Fall ist es bei entsprechender Risikotoleranz durchaus angebracht einen grösseren Teil der Finanzierung dem Zinsrisiko auszusetzen, um von allfällig sinkenden Zinsen profitieren zu können.
Entscheidend bei der Wahl der Absicherungsstrategie ist, dass die Entscheidungen stets bewusst und auf Basis von entsprechenden Modellierungen und Szenarioanalysen getroffen werden. Dadurch steigt die langfristige Planungssicherheit und auch die zukünftige Nachvollziehbarkeit der getroffenen Entscheidungen ist stets gegeben. Eine hohe Planungssicherheit sowie saubere Dokumentation und Nachvollziehbarkeit der Entscheidungsfindung ist erfahrungsgemäss insbesondere auch im stark öffentlich-rechtlichen Umfeld von grosser Bedeutung.
5. Absicherungsinstrumente
Im vorherigen Abschnitt haben wir erläutert, welche Faktoren für die Bestimmung einer sinnvollen Absicherungsstrategie entscheidend sind. Nun möchten wir aufzeigen, welche konkreten Instrumente zur Verfügung stehen, um die definierte Absicherungsstrategie erfolgreich umzusetzen. Wir möchten uns hier auf die folgenden drei wesentlichen Instrumente fokussieren: (1) Festkredite, (2) Zinsswaps und (3) Zinsoptionen. Bei den Zinsoptionen werden wir uns auf den "Zinscap" beschränken, da die Beleuchtung von weitergehenden Optionsstrategien den Umfang dieses Artikels sprengen würde und diese in der Praxis auch seltener angewendet werden.
Die einfachste Möglichkeit die Zinsen abzusichern ist der Abschluss eines Festkredites. Während der fest abgeschlossenen Laufzeit sind die Zinsen fixiert und unterliegen somit keinem Zinsänderungsrisiko. Der klassische Festkredit kommt oftmals erst mit dem effektiven Bezug von Fremdkapital zur Anwendung. Möchte man das Zinsänderungsrisiko aber bereits vor dem effektiven Kreditbezug absichern, muss ein Festkredit mit einem sogenannten Forward abgeschlossen werden. Damit ist ein in Zukunft startender Festkredit gemeint. In einem Umfeld mit steigender Zinskurve, kostet dieser Forward einen gewissen Zuschlag - der feste Zinssatz wird entsprechend erhöht. Im aktuellen Zinsumfeld mit inverser oder flacher Zinskurve, entfällt ein solcher Forward-Zuschlag.
Damit ein Festkredit abgeschlossen werden kann, sind jedoch gewisse Bedingungen zu erfüllen, wie beispielsweise das Vorliegen einer gültigen Baubewilligung. Zudem können Forwards im Normalfall mit einer maximalen Vorlaufzeit von 12-18 Monaten abgeschlossen werden. Das heisst, dass die Zinsen mit diesem Instrument maximal rund 18 Monate vor dem effektiven Kapitalbedarf fixiert werden können. Dies schränkt die Handlungsoptionen deutlich ein, da bei einem grossen Bauprojekt dem Bedarf einer frühzeitigen Absicherung (oftmals bereits in der Planungsphase und mehrere Jahre vor dem effektiven Kapitalbedarf) mit einem Festkredit nicht oder nur sehr eingeschränkt Rechnung getragen werden kann. Zudem liegt die maximale Laufzeit eines Festkredites je nach Kapitalgeber normalerweise bei 10-15 Jahren.
Die Nachteile bzw. Einschränkungen eines Festkredites können durch den Einsatz eines Zinsswaps behoben werden. Ein Zinsswap ist ein derivatives Finanzinstrument, bei dem zwei Vertragsparteien vereinbaren, zu bestimmten zukünftigen Zeitpunkten Zinszahlungen (variabel gegen fest) auf festgelegte Nennwerte auszutauschen. Die Zinszahlungen werden meist so festgesetzt, dass eine Partei einen bei Vertragsabschluss fixierten Festzinssatz zahlt, die andere Partei hingegen einen variablen Zinssatz. Beim Abschluss eines Zinsswaps bedeutet das für Sie konkret: Sie bezahlen während der abgeschlossenen Laufzeit einen fixen Zinssatz an die Bank und erhalten von der Bank den variablen Zinssatz (i.d.R. 3-Monat-Saron). In Kombination mit einem kurzfristigen Festkredit auf Saron-Basis (3-Monat-Saron) sind Sie damit gegen steigende Zinsen abgesichert, da Sie aus dem Swap-Geschäft den kurzfristigen Zinssatz von der Bank erhalten und diesen für das Kreditgeschäft der Bank gleich wieder bezahlen. Die Veränderungen im Saron sind für Sie daher nicht relevant. Ihre Finanzierungskosten belaufen sich immer auf den fixen Swapsatz zuzüglich Kreditmarge, unabhängig der Entwicklung der Marktzinsen. Dies trifft auf das aktuelle Zinsumfeld mit positiven Marktzinsen zu. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass sich die Finanzierungskosten bei negativen Marktzinsen um den negativen Saron-Satz erhöhen. Der Grund liegt darin, dass seitens Banken beim Kredit ein sogenannter 0%-Floor eingeführt wurde. Dies bewirkte, dass die Kreditgeber die Negativzinsen aus dem Kreditgeschäft nicht an den Kunden weitergegeben haben, was zu einer Asymmetrie mit dem Swapgeschäft und damit zu höheren Kosten für den Kunden führte. Mittlerweile gibt es jedoch Lösungen, um dieses Negativzinsrisiko für den Kunden zu eliminieren.
Ein Zinsswap kann sowohl für die Absicherung der Zinsen vor als auch während dem effektiven Kapitalbedarf eingesetzt werden. Der Vorteil des Zinsswaps gegenüber dem Festkredit liegt in der deutlich höheren Flexibilität (sowohl bei der Ausgestaltung der Absicherungslösung als auch bei nachträglichen Veränderungen bzw. Anpassungen), da der Kredit und die Zinsabsicherung in zwei separaten Geschäften geregelt werden. Zudem können Zinsswaps auch für längere Laufzeiten von bis zu 30 Jahren abgeschlossen werden. Der Zinsswap kann grundsätzlich auch vor dem Erhalt einer Baubewilligung abgeschlossen werden, insbesondere, wenn es sich um eine Gegenpartei mit hoher Bonität und stark öffentlich-rechtlichem Charakter handelt. Die Forward-Laufzeit ist im Gegensatz zum Festkredit nicht eingeschränkt - der Startzeitpunkt des Swaps kann somit auch mehrere Jahre in der Zukunft liegen. Dies kann sehr attraktiv sein, da die Zinsen bereits sehr früh in der Planungsphase fixiert werden können und dadurch eine gewisse Planungssicherheit erreicht werden kann (besonders relevant bei geringer Risikofähigkeit). Die Zinsabsicherung kann dabei ganz gezielt auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten werden (z.B. aufbauende und/oder amortisierende Absicherung). Aufgrund der hohen Flexibilität des Instrumentes, sind auch nachträgliche Anpassungen problemlos möglich, sollte sich zum Beispiel herausstellen, dass sich der Kapitalbedarf anders entwickelt als angenommen, oder falls sich das Projekt zeitlich verzögern sollte. Im Falle einer Zinsabsicherung zu einem sehr frühen Projektzeitpunkt ist unbedingt vorgängig zu evaluieren, ob das Projekt auch effektiv realisiert werden kann. Ansonsten läuft man Gefahr, eine Zinsabsicherung abzuschliessen für einen Kredit der später gar nie benötigt wird. Dies würde dann einer reinen Zinsspekulation entsprechen, was im Falle von sinkenden Marktzinsen hohe Kosten verursachen kann.
Im Gegensatz zum Festkredit oder Zinsswap, wird beim Einsatz eines Zinscaps nicht ein bestimmter Zinssatz für eine Laufzeit fixiert, sondern es wird eine Zinsobergrenze definiert, welche nicht überschritten werden kann. Solange die Zinsgrenze nicht erreicht wird, ist die Finanzierung den kurzfristigen Zinsschwankungen ausgesetzt und es kann entsprechend auch von sinkenden Zinsen profitiert werden. Technisch gesehen handelt es sich beim Zinscap um eine Call-Option auf den variablen Zinssatz, wobei der Strike der Option die Zinsobergrenze definiert. Vereinfacht gesagt kann der Zinscap mit einer Versicherung verglichen werden: Sie bezahlen eine Prämie, sind dafür ab einem gewissen Zinsniveau gegen weiter steigende Zinsen abgesichert. Sollten die Zinsen nicht steigen, verfällt die Versicherung (Option) zum Ablaufdatum wertlos. Dies kann dann interessant sein, wenn ein bestimmtes maximales Zinsniveau nicht überschritten werden darf (da dann z.B. die Tragbarkeit nicht mehr gegeben ist). Zu beachten ist jedoch, dass die maximale Optionslaufzeit i.d.R. bei 10-15 Jahren liegt. Weiter ist die Optionspreisberechnung sehr komplex und von verschiedenen Faktoren, wie z.B. der (impliziten) Volatilität an den Märkten oder der Optionslaufzeit, abhängig. Im aktuellen Marktumfeld mit relativ hoher Volatilität, sind die Prämien verhältnismässig teuer, so dass sich ein Zinscap nur unter bestimmten Bedingungen lohnt.
Welche Instrumente schlussendlich zur Anwendung kommen ist sehr individuell und von verschiedenen Faktoren, wie bspw. der Absicherungsstrategie oder dem internen Finanzwissen abhängig. Wichtig ist, dass vor einem Entscheid für oder gegen ein Instrument immer alle Vor- und Nachteile sowie die damit zusammenhängenden Chancen und Risiken sauber aufgearbeitet und diskutiert werden. Denn nur wenn Sie die Absicherungsinstrumente auch wirklich verstehen, können Sie eine fundierte Entscheidung treffen, welche Ihren Bedürfnissen und Zielsetzungen entspricht.
6. Fazit
Mit einem langfristigen Projekt, geht ein hohes Mass an Unsicherheit einher. Ein Risikofaktor ist dabei die zukünftige Zinsentwicklung, welche (auch von Experten) nicht prognostiziert werden kann. Es ist daher von zentraler Bedeutung, sich der Risiken vor und während des Bauprojektes bewusst zu werden und die eigene Risikofähigkeit wie auch Risikotoleranz zu ermitteln bzw. zu kennen. Auf dieser Basis kann eine individuell passende Absicherungsstrategie erarbeitet werden, welche das Worst-Case Szenario (auch wenn es unwahrscheinlich ist) verhindern soll. Welche Absicherungsinstrumente dabei zum Einsatz kommen hängt wiederum von den individuellen Zielsetzungen ab. Alle vorgestellten Instrumente haben ihre Vor- und Nachteile. Entscheidend ist weniger welches konkrete Instrument schlussendlich eingesetzt, sondern dass eine bewusste Entscheidung basierend auf einem gemeinsamen Verständnis getroffen wird. Nur so wird es gelingen langfristig optimale Ergebnisse zu erzielen.
Als inhabergeführtes und unabhängiges Beratungsunternehmen begleitet FINACCESS Sie bei der Finanzierung von Neubauprojekten. Dabei helfen wir Ihnen im gesamten Finanzierungsprozess optimale Ergebnisse zu erzielen - von der Planung, Strukturierung bis zur Ausschreibung und Umsetzung der Finanzierung und Zinsabsicherungslösung. Gerne stehen wir Ihnen für weitergehende Informationen oder ein unverbindliches Erstgespräch zur Verfügung.